Effekte professionellen Wissens und epistemischer Überzeugungen fachfremd Unterrichtender auf die Unterrichtsqualität aus Schüler:innensicht

Partner:innen: Johannes Kepler Universität Linz, Pädagogische Hochschule Oberösterreich, Pädagogische Hochschule Vorarlberg
Hauptbetreuung: Jana Groß Ophoff (PH Vorarlberg), Barbara Sabitzer (JKU Linz), András Batkai (PH Vorarlberg)
Institutionelle Zuordnung: JKU Linz
Projektdauer: 10/2023 – 09/2026

Informationen zum Projekt: Innovationsstiftung Bildung und JKU

 

Der sich zuspitzende Lehrkräftemangel in Österreich geht mit einer steigenden Zahl an fachfremd unterrichtenden Lehrpersonen einher. Dies wirft die grundsätzliche Frage auf, wie Fachfremder Unterricht (FFU) das österreichische Bildungssystem beeinflusst. Im Nationalen Bildungsbericht monieren Weber et al. (2018), dass für Österreich keine wissenschaftlich belastbaren Befunde vorliegen; weder zum Ausmaß oder zur Verteilung von FFU, noch zu den Effekten des FFU auf Schüler:innenoutcomes und Lehrer:innenprofessionsmerkmale.
Darüber hinaus kann moniert werden, dass auch die Frage nach der Wirksamkeit von Kompensationsmaßnahmen (z.B. Nachqualifizierungsprogrammen von FFU-Lehrkräften) und ganz allgemein die Frage nach den Potentialen und Vorzügen des FFU bisher wissenschaftlich ungeklärt blieb. Nur durch verstärkte Forschung in diesen Bereichen, so Weber et al. (2018), können Evidenzen geschaffen werden, die eine Bewältigung der mit dem FFU einhergehenden Herausforderungen im Schulsystems gewährleisten. Solche Evidenzen sind aber auch nötig, um die Chancen des FFU zu ergreifen und zu nützen.

Fehl- oder Schwellenkonzepte, also fachlich nicht haltbare Vorstellungen, sind in Schulfächern wie Mathematik (Riegler, 2013) oder Naturwissenschaften (z.B. Hake, 1998) gut erforscht, wonach Lernende solche “fehlerhaften” (Pieschl & Glumann, 2022) Konzepte parallel zu den fachlich korrekten Konzepten beibehalten (Meyer & Land, 2005; Menz et al., 2021). Eng verbunden mit besagten Fehlkonzepten sind epistemologische Überzeugungen, die als subjektive Theorien über die Natur des (fachspezifischen) Wissens und seiner Rechtfertigung handlungsleitend sind (Fives & Buehl, 2016; Pajares, 1993). Die für einen Konzeptwandel (Chinn & Brewer, 1993) erforderlichen Prozesse können durch Lehrende jedoch nur dann sinnvoll unterrichtlich unterstützt werden, wenn sie den erforderlichen Wandel selbst durchlaufen haben und in der Lage sind, Fehlkonzepte bzw. “naive” Überzeugungen bei Lernenden zu erkennen (Riegler, 2014; vom Hofe, 2019). Die Vermittlung solcher professioneller Handlungskompetenzen ist das ausgesprochene Ziel der Lehrer:innenbildung (Baumert & Kunter, 2006). Hierzu zählt u.a. das fachliche Wissen, also die Kenntnis grundlegender Konzepte, Besonderheiten und Vorstellungen der Disziplin, sowie Kompetenzen in den Methoden und Verfahren der mathematischen bzw. naturwissenschaftlichen Erkenntnisgewinnung (Pang & Good, 2000; Patrick & Pintrich, 2001). Allgemeines pädagogisches Wissen umfasst u.a. Wissen über Klassenführung und -organisation, Unterrichtsmethoden, Motivierung, Heterogenität und Leistungsüberprüfung, und hat sich als entscheidende Ressource für Unterrichtsqualität erwiesen (Depaepe & König, 2018). Der vermittelnde Prozess für den Erwerb fachdidaktischen Wissens ist schließlich die Reflexion unter Nutzung von fachlichem und pädagogischem Wissen in der Lehrer:innenbildung (Brouwer & Korthagen, 2005; Leuders et al., 2019; Park & Oliver, 2008).

In dem Dissertationsvorhaben soll untersucht werden, inwiefern Lehrpersonen mit bzw. ohne Abschluss ihres Studiums (uV1) in einem Fach, das sie studiert haben oder nicht (uV2), Unterschiede in ihren fachspezifischen epistemischen Überzeugungen und Fehlkonzepten wie auch allgemein in ihren professionellen Kompetenzen aufzeigen und in welchem Zusammenhang dies mit der (durch die Schüler:innen wahrgenommene) Unterrichtsqualität steht. Als Referenz werden auf Grund der beteiligten Fachdidaktiken im Konsortium die Fächer Mathematik und Informatik mit sprachlichen Fächern verglichen. Für die Studie kann auf Fragebogen- und Testinstrumente aus bestehenden Forschungsprojekten oder -kooperationen zurückgegriffen werden. Zur Auswertung der Daten sind mehrebenenanalytische, multivariate Verfahren vorgesehen. Für Mehrebenenmodellierung besteht die Empfehlung, dass mindestens 50 bis 100 Lehrpersonen und deren Klassen befragt werden sollten (u.a. Helm, 2018). Für den Vergleich der vier Gruppen (2x2-faktorielles Design) sollte daher eine Stichprobe von mindestens 200 Lehrpersonen angestrebt werden. Für die kumulative Promotion sind drei Publikationen vorgesehen: (1) Welche typischen fachbezogenen Fehlvorstellungen können bei fachfremd wie fachlich qualifizierten Lehrpersonen identifiziert werden (Pilot-Studie, Think Aloud-Protokolle) (3. Quartal 2024); (2) Welche Unterschiede in den professionellen Kompetenzen, Überzeugungen und Fehlvorstellungen lassen sich zwischen Gruppen für FFU-Fächer aufzeigen? (1. Qu. 2025); (3) Welche Zusammenhänge lassen sich für die Unterrichtsqualität (Schüler:innenrating, Hospitationen) identifizieren? (2. Qu. 2026).

Der Vergleich der Beliefs und Fehlkompetenzen im fachfremd unterrichteten vs. studierten Fächern ist ein Novum. Entsprechende Erkenntnisse über z.B. Basiskompetenzen können für die Aus-, Fort- und Weiterbildung genutzt werden.